Kapitel 11: Von zwei Mäusen und
einem Igel
Montag,
24. Januar 2000
Montag
abends hat Mama Ausgang. Rückbildungsgymnastik ist angesagt, und
das bedeutet, dass Papa ebenfalls Gymnastik hat: Die
Wie-bekomme-ich-alle-drei-Kinder-ruhig-Gymnastik.
Es
fängt wie immer ganz harmlos an. Christopher, in wenigen Wochen
im Kindergarten in der Igel-Gruppe eingeteilt, spielt friedlich, und
in den Kinderwagen liegen die Zwillinge seit einer Stunde ruhig
schlummernd. Der perfekte Moment für meine Gattin, um die
Übergabe der Sprösslinge an mich zu vollziehen und
anderthalb Stunden Abwechslung zu haben. Doch kaum hat sie die Tür
leise ins Schloss gezogen, nimmt das Unheil seinen Lauf. Wie auf
Kommando schlagen beide Kleinen ihre Augen auf, ganz noch dem Motto:
Ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch, oder
noch besser: scheuchen den Kater, der noch daheim ist, herum.
Unternehmungslustig funkeln mich zwei Paar Augen an, fragen mich, wie
ich sie heute Abend zu unterhalten gedenke, und wenn die Vorstellung
ihnen nicht gefällt, so deute ich das leicht diabolische
doppelte Lächeln, dann fangen wir halt an zu schreien.
Nun
gut, die Drohung ist verstanden, schnellstmöglich werden beide
aus ihren Kinderwagen befreit, auf der Krabbeldecke freigelassen, mit
Rasselspielzeug eingedeckt und argwöhnisch observiert. Damit
habe ich fünf Minuten Zeit gewonnen, und ich kann die nächsten
Schritte überlegen. Es ist neunzehn Uhr, und noch kein Kind hat
seinen Schlafanzug an. Also schnappe ich mir nacheinander die drei
Kinder und bringe sie ins Schlafzimmer - Akkord-Wickeln ist angesagt.
Als ich beim letzten Kind angelangt bin, klingelt das Telefon. Mit
dem halbgewickelten Nicolas unter dem Arm hebe ich ab. Es ist meine
Mutter, die mir ausführlich die Neuigkeiten des Tages erzählt.
Geduldig hören Nicolas und ich ihr zu, während nebenan im
Wickelzimmer Michelle protestierend ihre Stimme erhebt. Im zwanzigsekündigen Abstand verdoppelt sie ihre Lautstärke,
vom Telefonat bekomme ich immer weniger mit, und kurz nachdem die
Nachbarhunde das Konzert meiner Tochter kläffend erwidert haben,
kann ich das Gespräch beenden.
Nicolas wird fertiggemacht und
als erster nach unten gebracht. Zurück im Wickelzimmer, möchte
Christopher, dass ich mit ihm spiele. Ich versuche ihn auf
später zu vertrösten, wenn ich die Kleinen gefüttert
habe, doch er möchte Zuerst! spielen und wird im
Tonfall energischer. Während ich ein paar Ablenkungsmanöver
starte, ertönt von unten Alarm. Atemlos stürze ich ins
Wohnzimmer und sehe Nicolas, der sich ohne Ausweichmöglichkeit
vor den Tisch manövriert hat und sein Gesicht an einem Tischbein
tätowiert. Ich tröste ihn über sein Wehwehchen und
schleppe den Rest unserer Zöglinge nach unten - inklusive
Christophers Spielzeug.
Langsam wird es Zeit - für mich und
für die Milchflaschen. Während ich in der Küche die
Abendrationen fabriziere, gellt ein erneuter Alarm aus dem
Wohnzimmer. Diesmal ist es Michelle, auf die sich Christopher in
Ermangelung eines Spielgefährten gelegt hatte, und indem sie
schon fast blau anläuft, schreit sie um Hilfe. Es folgt eine
erneute Diskussion mit dem Großen über zeitliche Abfolgen
(Ich spiele mit Dir - gleich - Nein, zuerst!),
so dass ich schließlich in der Funktion eines Bodyguards
Michelle mit in die Küche holen muss. Sie auf dem rechten
Arm tragend, sieht sie mir zu, wie ich mit links die Milch mache.
Dabei sperrt sie erwartungsvoll schon ihr Mündchen auf, nur um
festzustellen, dass diese erste Milch für Christopher
bestimmt ist. Für den Blick, den sie mir zuwirft, als ich dem
Großen die Flasche gebe, bräuchte sie einen
Waffenschein.
Nicolas ist derweil auch nicht untätig gewesen
und hat sich bis auf wenige Zentimeter dem Minischnuller einer Puppe
genähert, weil ihm das Warten auf die Milch zu lange währte.
In letzter Sekunde kann ich Schlimmeres verhindern.
Nun startet
Michelle ihre nächste Attacke. Ein wohlvertrauter Geruch
schleicht sich aus ihrer Windel, und breit grinst mich ihr
Wickel-mich-Blick an. Also nochmals hoch und aus Sicherheitsgründen
nochmals runter und Nicolas ebenfalls mit ins Wickelzimmer
nehmen.
Doch wie in jedem anständigen Western zum Schluss
Rettung in Gestalt der Kavallerie naht, so dreht sich jetzt der
ehegattliche Schlüssel im Schloss. Claudia ist von der
Gymnastik zurück, und gemeinsam wird die kindliche Übermacht
in den Schlaf überwältigt.
Einen Schlusswitz hat
Claudia noch mitgebracht. Eine mitturnende Frau hat sie gefragt, ob
sie Zeit hätte, sich nachmittags hinzulegen. Von unserem
Gelächter wären um ein Haar unser Igel und unsere beiden
Mäuse aufgewacht. (20.02.00)
Copyright by Frank Schmitt