Geschichten aus dem Familienleben

Kapitel 7: Anstrengende Tage

Samstag/Sonntag, 17./18. April 1999

Wie lange braucht man, um einmal ein Bild von sich in der Zeitung bewundern zu können? Und wie alt ist man, wenn man sich zum ersten Mal im Fernsehen sieht?
Nun, für das Foto in der Zeitung hatte ich fast dreißig Jahre gebraucht; für einen Fernsehauftritt zwar nur etwa zwanzig Jahre, dafür lief der folgendermaßen ab: ein Drei-Minuten-Bericht eines Fußballspiels, das ich besucht hatte; ein Zwei-Sekunden-Schwenk in die Zuschauerränge; für eine halbe Sekunde war ich zu sehen, der dreizehnte Zuschauer von links in der vierten Reihe.
Unser Christopher brauchte kein Jahr fürs erste Zeitungsbild, und nun, mit zwei Jahren, war er schon wieder drinnen: Er durfte Kunde in den bei
„Der kleine Einbrecher“ geschilderten Büroräumlichkeiten spielen (zusammen mit seiner Mama) und war gleich zweimal abgebildet in dem Werbeteil der heimischen Zeitung, mit der auf die Eröffnung dieses Büros hingewiesen wurde. Und die nächsten Tage wird im regionalen Fernsehkanal ein Film über die dritte Klausener Motorrad-Wallfahrt gezeigt, bei dem auch ein gewisser Christopher Schmitt in Großaufnahme zu sehen sein wird (im Hintergrund Beine und eine Hand seines Vaters). Doch ich möchte ja nicht klagen, sondern vielmehr von diesen beiden Ereignissen berichten.
Die Einweihung der im Nachbarhaus befindlichen Büroräume fand samstags statt und war recht ordentlich aufgezogen mit Bierstand (in dem ich zeitweise auch aushalf), Kinderspringburg und einem Auftritt des Musikvereins. Für unseren Kleinen war es das Ereignis, beginnend mit dem Aufbauen kleiner Pavillons direkt vor unserem Haus, und fortan hatte er seine VIP-Lounge bezogen, das heißt er setzte sich auf die vierte Stufe unserer Innentreppe und schaute durch das Glas unserer Haustüre dem emsigen Treiben draußen zu, ab und zu ein begeistertes „Ooah“ ausstoßend. Nach einem besonders lauten „Ooah“ sprang er dann zur Haustür und rannte hinaus, denn gerade wurde die Springburg zur Probe aufgeblasen, und dann möchte ich das Kind sehen, welches dann nicht hinrennt. Näher als zu diesem Zeitpunkt kam er leider der Springburg nicht mehr, denn nach der offiziellen Einweihung war sie belagert von rotgesichtigen, keuchenden Grundschulkindern, die ihn glatt über den Haufen gerannt hätten. Amüsant war es dann immer für mich, wenn diese Jungs nach Luft schnappend zum Bierstand gerannt kamen und mit letzter Kraft japsend eine Cola bestellten. Christopher prägte sich das Herumgetolle auf jeden Fall genau ein und zählte wohl insgeheim die Jahre bis zur Einschulung.
Dann begann der Musikverein zu spielen, und unser Kleiner stellte sich bis auf Taktstocklänge vor die größte Tuba und fing zu schunkeln an. Der Klausener Musikverein braucht wohl keine Nachwuchsangst zu haben, und ich kann schon mal sparen für den Erwerb eines Musikinstrumentes. Nach Christophers „standing ovations“ für die musikalische Darbietung vertrieb er sich die Zeit damit, Gäste mit Blumenerde aus einem benachbarten Beet zu bewerfen. Die regten sich ziemlich grundlos auf, weil er doch erstens nicht die Leute, sondern vielmehr die Bänke treffen wollte, die zweitens auf unserem eigenen Grund und Boden standen, was also bedeutete, dass sein Papa ohnehin alles saubermachen musste.
Der Samstag war so anstrengend (kein Mittagsschlaf, denn man hätte ja was verpassen können), dass er frühabends vor Müdigkeit schrie, schleunigst ins Bett gebracht wurde und umgehend einschlief. Der nächste Tag brachte dann die dritte Klausener Motorrad-Wallfahrt mit einer Rekordbeteiligung von über 1500 Zweirädern. Zur Biker-Messe im Pfarrgarten verpassten wir unserem Sprössling einen Fahrradhelm und setzten ihn aufs Dreirad. Fachmännisch begutachtete er das Treiben, und Papa schoss ein Erinnerungsfoto des kleinen Dreirad-Fahrers vor dem großen Pendant eines Trikes. Durch die ganze Aufregung ließ unser Filius auch dieses Mal den Mittagsschlaf ausfallen, und zur Strafe schoben wir ihn nachmittags auf seinem Dreirad quer durchs Dorf. Auf dem Rückweg fiel Claudia auf, dass seine Lenkbewegungen etwas kraftlos wirkten, und wie wir ihn von vorne betrachteten, sahen wir seine Augen zu- und ihn langsam nach vorne fallen. Ein klarer Fall von Übermüdung am Steuer. Das Sandmännchen forderte vehement sein Recht, und uns entging zum zweiten Mal binnen kurzer Zeit die Schadenfreude-Prämie von „Pleiten, Pech und Pannen“ (Das erste Mal war er merkwürdig ruhig vorm Fernseher gesessen, der Kopf wurde irgendwann schwer und neigte sich nach vorn, doch anstelle zur Videokamera zu stürmen und den Moment fürs Fernsehen zu archivieren, hatten wir nichts besseres zu tun als ihn vor dem Aufprall zu bewahren.)
Die verbleibenden hundert Meter zum Haus meiner Schwiegermutter trug ich ihn und legte ihn oben ins Gästezimmer. Der Schlaf hielt jedoch nur eine Stunde an, denn als der nächste zur Haustür hereinkam und zu uns in die Küche stieß, hörten wir ein Tappen auf der Treppe, und schlafwandlerisch kam unser gestresster Christopher die Stufen herunter, in Sorge irgendetwas zu verpassen. Die darauf folgende Nacht schlief er dann durch bis halb Zehn morgens.
(26.04.99)

Copyright by Frank Schmitt


Vorheriges

Kapitelübersicht
Übersicht

Nächstes Kapitel
Nächstes

Homepage
Homepage